Warum die Mini-Störche so schön still haltenWeinheim. Die Sonne strahlt an diesem Morgen über der Weid. Landidylle mit wunderbarem Blick auf die Bergstraße. Ein grün-gelber John-Deere-Schlepper fährt mit lautem Rumpeln am Weinheimer Betriebshof vorbei. Dort – hoch oben über den Dächern der Betriebsgebäude – nistet Mama Storch mit ihren vier Jungen. Vor etwa drei Wochen sind die kleinen Störche geschlüpft und genießen nun den herrlichen Ausblick über die Weid und die gute Landluft am Kanal.

Doch gestern wurde es ernst für die Kleinen: Die Freiwillige Feuerwehr Weinheim-Stadt rückte mit einem Drehleiterfahrzeug an. Stadtkommandant Ralf Mittelbach höchstpersönlich steuerte den Transportkorb bis an die Nestkante. Was los war? Die Jungstörche wurden von Helmut Stein, dem Chef-Ornithologen des Mannheimer Luisenparks und Beauftragten der Staatlichen Vogelwarte Radolfzell beringt.

Kaum näherten sich Stein und Mittelbach dem Nest, nahm Mama Storch sofort Reißaus. Und die Kleinen? „Die haben in solchen Fällen einen Totstell-Reflex – das heißt Akinese“, erklärt Weinheims Naturschutzwart Dietmar Matt. Auch er ist samt Fernglas zum Betriebshof gekommen. Und tatsächlich, als Stein die Ringe an den dünnen Storchenbeinchen befestigt, bewegen sich die Tiere keinen Millimeter.

Warum beringt man die Tiere überhaupt? „Durch die Beringung können wir feststellen, wie weit die Störche fliegen und ob ihnen auf ihrem weiten Weg in den Süden etwas zustößt“, sagt Matt. Stein ist mit dem Zustand der Jungstörche „sehr zufrieden“. „In diesem Jahr herrschen ideale Witterungsbedingungen.

 Warum die Mini-Störche so schön still haltenEs hat immer mal wieder kurz geregnet, sodass es viele Schnecken gab, die den Störchen als Nahrung dienen. Gleichzeitig war es aber nicht zu nass. Im vergangenen Jahr war durch den Dauerregen das Nest mit Wasser vollgelaufen. Deshalb überlebte damals nur ein kleiner Storch. Denn wenn die Jungtiere völlig durchnässt sind und überhaupt nicht trocken werden, dann kühlen sie aus“, so Stein.

In Weinheim siedeln übrigens Weststörche, die im Winter über Gibraltar nach Marokko fliegen und südlich der Sahara in den trockenen Savannen überwintern. 6000 Kilometer legen sie bis dorthin zurück – bei einer Flug-Tagesleistung von etwa 200 Kilometern, berichtet Matt.

Auf den Zugwegen lauern viele Gefahren. Die größte geht von nicht vogelsicheren Strommasten – und vom Menschen aus. Denn in Afrika werden die Tiere teilweise gefangen und gegessen, sagt Matt.

Dass es in diesem Jahr außergewöhnlich viele Jungstörche gibt, fiel auch Feuerwehr-Kommandant Mittelbach auf. Er schrieb auf der Facebook-Seite der Feuerwehr Weinheim mit einem Augenzwinkern: „Mal schauen, ob das auch der Trend der Geburtenrate 2014 in Weinheim ist. Auf jeden Fall kann jetzt wieder Zucker auf den Fensterbrettern abgelegt werden, genug Abnehmer gibt es jetzt dafür.“ vmr

Quelle: Weinheimer Nachrichten vom 06.06.2014